Unsere Orgeln
Mühleisenorgel
Müheisen/Straßburg 1971 II/27 | Mechanische Schleifladen |
Elektropneumatische Reg.Traktur | 2 freie Kombinationen |
Historisches Gehäuse vermutlich von Johann Adam Schmahl 1740 |
Hauptwerk | Schwellwerk | Pedal |
Bourdon 16' | Gedeckt 8' | Subbaß 16' |
Prinzipal 8' | Gamba 8' | Zartbaß 16' |
Windabschwächung von Subbaß | ||
Flöte 8' | Geigenprinzipal 4' | Oktavbaß 8' |
Oktave 4' | Rohrflöte 4' | Spitzflöte 8' |
Rohrflöte 4' | Nasat 2 2/3 | Flöte 4' |
Schwingel 2' | Blockflöte 2' | Pedalmixtur |
Mixtur 3-fach | Terz 1 3/5 | Posaune 16' |
Zimbel | Quinte 1 1/3 | Trompete 8' |
Trompete (franz.BA) | Scharf 3-fach | Clairon 4' |
Hautbois 8' | ||
Klop - Truhenorgel 2000
4,5 Register (Baß Diskant) | |
Gedackt 8' | |
Prinzipal 8' | |
Rohrflöte 4' | |
Flöte 2' | |
Quint 3' | |
Transponiereinrichtung: a 415/440/466 | |
Umfang: C - f | |
Die Geschichte der Neuenbürger Mühleisen Orgel im Laufe der Zeiten.
In der Geschichte der Neuenbürger Stadtkirche ist das jetzige
Instrument mindestens das vierte Orgelwerk, welches dort erklingt.
Die erste belegte Orgel baute 1776 der Orgelmacher Johann
Jakob Weinmar aus Bondorf für 853 ff. in die Stadtkirche ein.
Das einmanualige Instrument mit 12 Registern durfte jedoch
nur für 12 Jahre seinen Dienst tun, bis es beim Kirchenbrand mitsamt
der Kirche zerstört wurde.
Nachdem die Kirche in ihrer heutigen frühklassizistischen
Gestalt wieder aufgebaut worden war, kam 1789 das bis heute
erhaltene barocke Orgelgehäuse einschließlich der dazugehörenden
Orgel in die Kirche. Dabei handelt es sich möglicherweise um das
Gehäuse der Orgel der Lutherkirche Fellbach, welche dort 1740 von
Johann Adam Schmahl aus Heilbronn erbaut, aber bereits 1779 wegen
eines Kirchenabrisses entfernt wurde. Johann Jakob Weinmar baute in
Fellbach eine neue Orgel und könnte die prächtig anzuschauende
Schmahl -Orgel „eingelagert" und zehn Jahre später in der wieder
aufgebauten Neuenbürger Stadtkirche - anstelle seiner eigenen
abgebrannten Orgel - wieder aufgestellt haben.
Eine Disposition dieser Orgel ist nicht dokumentiert. 1896
entfernte die Werkstätte E.F. Walcker & Cie. aus Ludwigsburg das
Innenleben der alten Orgel und erstellte unter der Opusnummer 779
eine komplett neue Orgel, die sie im historischen Gehäuse einbaute.
Diese Orgel besaß 16 Register auf zwei Manualen und Pedal und
ersetzte das bis dato in der Stadtkirche vernommene barocke
Klangbild durch ein - dem Zeitgeschmack der Spätromantik
entsprechend - dunkleres, grundtöniges und orchestrales Klangbild.
Auffällig ist, dass nahezu die gesamte Orgel - bis auf die
Mixtur (Nr. 8) - aus lauter grundstimmigen Registern bestand, die
trotz der überschaubaren Größe von nur 16 Registern eine ganze
Palette von Orchesterinstrumenten ab zudecken versuchte. Ziel dieser
war es vor allem, dass die Register beim Hinzuziehen möglichst
übergangslos miteinander verschmelzen, sodass wie in einem
romantischen Sinfonie-Orchester ein stufenloses Crescendo vom
leisesten pianissimo bis hin zum kräftigen fortissimo möglich wurde.
Doch nach gut 75 Jahren wurde die 1890 sehr moderne
pneumatische Mechanik der Orgel zunehmend störanfällig und
unzuverlässig, sodass sich eine Restaurierung aus damaliger Sicht
nicht mehr lohnte.
Zudem konnte man in den 1960er und 70er Jahren leider nur
noch wenig mit solch spätromantischen Klängen anfangen. Komponisten
wie Schumann, Brahms oder Reger wurden wenig gespielt, ganz zu
schweigen von den Komponisten der französischen Romantik.
Stattdessen erlebte die Musik des Barock und der Renaissance
ihrerseits wieder eine Renaissance und man wandte sich vermehrt den
Komponisten des 16. & 17. Jahrhunderts bis einschließlich J. S. Bach
zu. Auch zeitgenössische Komponisten bedienten sich der alten
Klangfarben - oder dem, was man dafür hielt - und man forderte
helle, schillernde Solofarben, die bisweilen gar scharf und schrill
ausfielen. Die dynamisch orientierte Disposition der alten Orgel
erachtete man hingegen als dem Stil der Zeit geschuldet und
„farblos", sodass man sich für einen kompletten Neubau entschied.
Die Erhaltung der romantischen Stimmen aus der alten Orgel
achtete man dabei nur wenig und verkaufte die alten Pfeifen zum
Materialwert, die daraufhin vermutlich kurzerhand für neue Pfeifen
eingeschmolzen wurden. Lediglich die 12 tiefsten Pfeifen des Bourdon
16' aus Holz wurden womöglich beibehalten und wiederverwendet.
Das jetzige Instrument wurde „wiederum im historischen"
Gehäuse - durch die Straßburger Orgelbauwerkstätte Mühleisen & Cie.
für damals ca. DM 105.000,- gebaut. 1969 erfolgte der
Vertragsabschluss zwischen Kirchengemeinde und Orgelbauwerkstatt und
im August 1971 wurde die Orgel mit 27 Registern auf zwei Manualen
und Pedal eingeweiht.
Glücklicherweise verzichtete man auf die bereits beschriebene
allzu scharfe und schrille Intonation der Pfeifen und verwendete
gute Materialien. Eine Tatsache, die bei vielen Neubauten dieser
Zeit längst keine Selbstverständlichkeit war, sodass schon viele
dieser Instrumente ihrem hohen Verschleiß zum Opfer fielen und
gänzlich ausgetauscht werden mussten.
Im Frühjahr 1991 wurden vier Register verändert und die Orgel
neu intoniert, was zur heutigen Klang gestalt und Disposition
führte.
Diese Orgel ermöglichte nun wieder eine stiltypische
Interpretation deutscher und französischer Barockmusik. Allerdings
werden mit der zunehmenden Wertschätzung romantischer Kompositionen
die in den 70er nur wenig geschätzten Stimmen der Vorgängerorgel
besonders schmerzlich vermisst - denn die Interpretation dieser
Stücke bleibt mit den barock nachempfundenen Registern immer ein
Kompromiss.
Doch nicht nur im Orgelkonzert, auch beim Gemeindegesang oder
wenn die Orgel wie ein Orchester dem Chor entgegentreten will, kann
man das Fehlen einer tragenden Palette von Grundstimmen oder eines
gleich dem Kontrabass stützenden Violonbass 16' bereits spüren.
Wie schön klänge es wohl erst, wenn zur barocken Klangpracht
auch wieder die romantischen Farben der Vorgängerorgel treten
würden, und alle Musik, die seit der Erbauung unserer Kirche dort
gespielt wurde, auch wieder dort erklingen könnte...
Christian D. Karl/Sun Kim
Protoll der alten Orgel Op. 779 der Werkstätte
E.F. Walker & Cie.